József Mindszenty

Papst Paul VI und Kardinal Mindszenty in Rom

In diesem Haus lebte Kardinal Josef Mindszenty vom 23. Oktober 1971 bis 6. Mai 1975

Kardinal Josef Mindszenty hielt sich nach den Ereignissen vom 4. November 1956 fünfzehn Jahre lang in der amerikanischen Botschaft in Budapest auf. Er kam der Bitte vom Papst Paul VI. nach, als er am 28. September 1971 die Botschaft in Begleitung des apostolischen Nuntius verließ. Bevor aus Ungarn ausreiste, wiederholte er seinen Wunsch, weiterhin in seiner Heimat zu bleiben:

„Mein Wunsch ist es, mein Leben in Ungarn inmitten von meinem Volk zu verbringen, welches ich grenzenlos liebe. Wenn dies unmöglich sein sollte, weil die Emotionen gegen mich aufbrausen oder weil die höheren Interessen der Kirche es erfordern, in diesem Fall, nehme ich das an, was wahrscheinlich das schwerste Kreuz meines Lebens sein wird.“

Er reiste über Wien nach Rom, wo man ihn zum Bleiben überreden wollte, doch Kardinal Mindszenty entschied, dass er nach Wien, ins Pazmaneum übersiedeln wollte. Mit dem Einverständnis von Kardinal König zog er dort als völlig freier und unabhängiger Mensch ein, wie er noch in Rom sagte: „In das Eigene“. Weil er jede Begrüßung und Feierlichkeit vermeiden wollte, wusste niemand den genauen Zeitpunkt seiner Ankunft. Er wollte keine Aufmerksamkeit erregen und auch keine Presseerklärung abgeben.

Der damalige Rektor des Hauses erfuhr erst eine halbe Stunde vorher von der Ankuft Mindszentys. Als er mit dem Wagen der Nuntiatur vorfuhr, wollte Mindszenty wegen der Journalisten nicht vor dem Gebäude aussteigen. Er bat darum, das Tor zu öffnen, um mit dem Auto hineinfahren zu können. Als man endlich den Schlüssel des Tores fand, fuhr der Wagen hinein, doch stieg Mindszenty erst nach dem Schließen des Tores aus. Als seine Wohnung wählte er aus Sicherheitsgründen ein Zimmer innerhalb des Rektorats aus, das auf einen Innenhof schaute. Er lebte einfach, diszipliniert, fleißig und im Gebet, wie er es sein Leben lang tat. Von da aus besuchte er die Ungarn in der Emigration, und so bereiste er fast die ganze Welt, wo immer auch Ungarn lebten. Zwar waren diese Reisen seelsorgerischer Natur, doch Kardinal Mindszenty vergaß nie darauf, die schwierige und entrechtete Lage Ungarns und der ungarischen Kirche in den Vordergrund zu stellen. Die Pressemeldungen zollten der Freilassung Mindszentys große Bedeutung, er wurde „draußen“ überall als Held empfangen und gefeiert, womit man zu Hause in Ungarn nicht gerechnet hatte. In Ungarn verbreitete man von ihm systematisch, dass er ein gebrochener, kranker Mann sei, der nicht mehr imstande sei, sich zu aktivieren. Er soll der ungarischen Regierung gegenüber dankbar sein, dass man ihm seine Strafe erließ und ihn freiließ, damit er sich während der verbleibenden Tage seines Lebens ausruhen kann. Mindszenty dachte nicht daran, sich zurückzuziehen und abgeschlossen zu leben. Nachdem er seine Freiheit wiedergewonnen hatte, hielt er es für seine Pflicht, für die auf der ganzen Welt verstreuten Ungarn als seelische Stütze zu dienen. Diejenigen, die auf seinen Tod hofften, mussten erkennen, dass er unermüdlich, sehr aktiv sein Leben lebte und dass seine Gesundheit bei weitem nicht so schlecht war, wie viele es behaupteten. Im Gegenteil, er fühlte sich sehr wohl! Das berichteten zumindest verschiedene Beobachter von ihm regelmäßig.

„Der Kardinal ist sehr beweglich, aber wortkarg und seine Persönlichkeit strahlt direkt eine Kälte aus. Er arbeitet ununterbrochen. Er isst schnell. Er hört gut und ist sehr flink.“

Der damalige ungarische Botschafter in Österreich machte in seinem Bericht dem Innenministerium gegenüber darauf aufmerksam, dass man gegen Mindszenty eine viel größere Propaganda entfalten müsse. Er betont: „Ich halte es jetzt für besonders wichtig, da Mindszentys Gegenwart die öffentliche Meinung in Österreich vergiftet und sie gegen uns stellt. Mit gut ausgewähltem Propagandamaterial könnten wir dazu beitragen, dass er noch mehr isoliert wird.“ Sie haben ihn nicht nur innerhalb des Gebäudes beobachtet, auch vor dem Haus haben sie spioniert. (Die Abteilung III/I, Gruppe 4 des ungarischen Innenministeriums hat im Jahr 1968 das Dossier mit dem Decknamen „Ostrom-Vár“ eröffnet, das die Vorkommnisse des Objektes in der Boltzmanngasse 14 beinhaltete. Die Nachrichtenbeschaffung funktionierte bereits seit dem Jahresende 1967 und kontrollierte die ein- und ausgehende Post des Pazmaneums.) Weil sie es zumindest ahnten, besuchten die Ungarn nur voller Angst das Haus. Trotzdem hatte Kardinal Mindszenty viel Besuch, wie es der damalige Rektor Egon Gianone, der oft bei ihm war, berichtete: „vorallem wegen seiner strahlenden Persönlichkeit“.

Kardinal Mindszenty in der Kapelle des Pázmáneums

Am 19. November war es endlich soweit, das erste Treffen des Kardinals mit den Wiener Ungarn fand nach langer Zeit des Wartens statt. Seine erste, offizielle, vor dem Altar gesprochene Nachricht wurde in die große Welt via Fernsehen ausgestrahlt. Er sprach: „Ich freue mich sehr, dass Ihr so zahlreich zu der Heiligen Messe gekommen seid. Es ist sehr gut für uns, heimatlose Ungarn, zusammen zu sein. Jeden Sonntag und Feiertag gibt es hier in Wien in vielen Messen von ungarischen Priestern ungarische Predigten. Sucht diese Gelegenheiten, auch wenn ihr dafür Opfer bringen müsst! Der Heilige Paulus sagt, dass Glaube vom Hören kommt. Sucht jeden Sonntag und Feiertag die ungarische Predigt. Gott segne Euch!“ Paar Tage später stellte Kardinal König im Stephansdom den Österreichern Kardinal Mindszenty vor. Mindszenty hat auf ungarisch und auf deutsch gepredigt und danach begrüßte der Wiener Erzbischof mit geschwisterlichen Worten den ungarischen Kardinal. Dieser Doppelauftritt, die gemeinsame Messe des ungarischen und des österreichischen Kardinals im Dom von Wien war ein historischer Augenblick. Gemeinsames Schicksal – davon sprach dieses historische Ereignis; und in diesem Moment spürte jeder die Richtigkeit der Entscheidung von Kardinal Mindszenty: Der Platz des vertriebenen ungarischen Kardinals ist hier in Wien, hier in dieser „anderen“ Donau-Metropole. Kardinal König und das Volk der österreichischen Hauptstadt empfing Kardinal Mindszenty warmherzig.  „Es ist eine große Auszeichnung für mich – lauteten die Worte der Begrüßung -, dass ich Ihr gastgebender Hausherr sein kann. … hoffen wir, dass Sie noch viele Jahre lang den Frieden und die Freiheit bei uns in dieser Stadt genießen können, in der Stadt, in der so viele Ihrer Landsleute eine zweite Heimat gefunden haben.“

 Ende April 1975 kehrte Kardinal Mindszenty schon schwach und krank von einer langen Seelsorgerreise aus Südamerika zurück. Im Flugzeug sprach er, obwohl er Fieber hatte, von seinen weiteren Reisen. Er wollte im Mai nach Frankreich und nach Skandinavien fahren. Die letzten Tage seines Lebens verbrachte er im Wiener Spital der Barmherzigen Brüder. Auf seine Bitte stellte man sein Bett so, dass er den Turm vom Stephansdoms sehen konnte. Das Krankenhauspersonal berichtete, dass er am 6. Mai um 14.15 Uhr wie ein Heiliger starb. Der österreichische Rundfunk unterbrach seine Sendung und berichtete vom Ableben des Kardinals. Er wurde im Stephansdom aufgebahrt und am 15. Mai wurde er – auf seine Bitte, übergangsweise – in Maria Zell bestattet. In seinem Testament schrieb er: „Wenn der Stern des Unglaubens von Moskau über das Land der Heiligen Maria und des Heiligen Stephans niedersinkt, soll mein Leichnam in die Krypta der Basilika von Esztergom überführt werden.“

Kardinal König schloss seine Trauerrede mit folgenden Worten: „Defunctus adhuc loquitur.“ Er spricht auch in seinem Tod.

 

Mindszentys Grab in Mariazell

Am 1. Oktober 1990  hat die Stiftung Mindszenty, als Testamentsvollstrecker des Kardinals festgestellt, dass die Bedingungen für die Heimführung erfüllt seien und den Termin der Überführung auf den 4. Mai 1991 festgelegt.

Am frühen Morgen des 1. Mai 1991 begann man mit der Exhumierung des Leichnams in Maria Zell, nach Augenzeugenberichten sei der Körper des Kardinals in einem sehr guten Zustand erhalten gewesen. Man bettete ihn in einen neuen Sarg und am Vormittag des 3. Mai überführte man den Sarg in einem feierlichen Trauerzug nach Esztergom.

Mindszentys Grab in Esztergom

Auf dem Platz vor der Basilika feierte der persönliche Vertreter von Papst Johannes Paul II., Kardinal Opilio Rossi die Trauermesse. Nach dem Gebet des Kardinals László Paskai sprach als erster der Ministerpräsident József Antal: „Wenn wir jetzt Abschied nehmen von Josef Mindszenty, wenn ein Land seinen großen Sohn verabschiedet, der jetzt auf den angestammten Bischofssitz zurückkehrte, so müssen endlich die kleinlichen Streitereien verstummen. Die Heimkehr Josef Mindszentys gäbe uns allen Kraft für diese Verwandlung und Erneuerung.“

 

Auf dem Grabstein „des treuesten Hirten in der Verfolgung“ steht der Spruch: „Vita humiliavit – mors exaltavit“, Das Leben hat ihn erniedrigt, der Tod erhöht, sowie zum Schluss: „Hic in pace quiescit” – Hier ruht er in Frieden.

 

Gedenktafel von Mindszenty bei der Eingang des Pázmáneums